Hörverlust kann in jedem Alter aus verschiedenen Gründen auftreten. Bei Säuglingen und Kindern stellt Hörverlust ein sehr ernstes Problem dar. Das Gehör ist eine der Grundvoraussetzungen fürs Lernen. Ohne auditive Eingaben bleiben Lernprozesse unvollständig. Ohne ausreichende und korrekte Sprachexposition ist eine angemessene Sprachentwicklung nicht möglich.
Definition | Teilweiser oder vollständiger Hörverlust bei Kindern. |
Typen | Leitungs-, sensorineural, gemischt. |
Ursachen | Angeborene Faktoren (Genetik, Geburtskomplikationen), Infektionen (z. B. Otitis media), Frühgeburt. |
Symptome | Fehlende Reaktionen, verzögerte Sprachentwicklung, Bedarf an hoher Lautstärke. |
Diagnose | Neugeborenen-Hörscreening, Audiometrie, Tympanometrie. |
Behandlung | Hörgeräte, Cochlea-Implantat, medizinische oder chirurgische Therapie. |
Risikofaktoren | Familiäre Vorgeschichte, niedriges Geburtsgewicht, lange NICU-Betreuung, ototoxische Medikamente. |
Prävention | Frühscreening und Diagnose, Behandlung von Infektionen, Lärmschutz. |

Doktor Audiologin Emel Uğur
Was sind die Ursachen für Hörverlust bei Säuglingen und Kindern?
Hörverlust wird in angeborene und erworbene Ursachen unterteilt. Angeborene Ursachen entstehen pränatal (während der Schwangerschaft). Genetische Faktoren, mütterliche Infektionen, während der Schwangerschaft eingenommene Medikamente oder Toxine können eine Rolle spielen. Die genaue Ursache lässt sich nicht immer feststellen. Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht oder medizinische Bedürfnisse wie Hypoxie, über fünf Tage mechanische Beatmung oder Neugeborenengelbsucht sind potenzielle Risikofaktoren. Postnatal können Infektionen (insbesondere Mittelohrentzündungen), Kopfverletzungen oder langsam fortschreitender, genetisch bedingter Hörverlust nicht nur die Sprachentwicklung, sondern auch kognitive, soziale und psychologische Entwicklung der Kinder beeinträchtigen.
Welche Arten von Hörverlust gibt es und wie werden sie behandelt?
Hörverluste werden je nach betroffenem Ohrabschnitt in Leitungs-, sensorineural und gemischt unterteilt. Leitungsverluste entstehen im Außen- oder Mittelohr und sind meist medikamentös oder chirurgisch behandelbar; Hörgeräte sind selten erforderlich. Sensorineurale Verluste im Innenohr oder Hörnerv sind nicht medikamentös behandelbar – hier muss sofort mit Hörgeräten begonnen werden. Wenn Hörgeräte nicht ausreichen, sind chirurgische Implantationen nötig.
Wie wird der Schweregrad des Hörverlusts bestimmt?
Hörverluste werden nicht prozentual, sondern in Grade eingeteilt: sehr leicht, leicht, mittel, schwer, sehr schwer. Diese Einteilung unterscheidet sich von Protokollen für Erwachsene. Sehr leichte und leichte Hörverluste werden von Familien oft nicht bemerkt und können Sprachentwicklungsprobleme verursachen. Mittlere und schwerere Hörverluste erfordern unbedingt Intervention. Da Hörfähigkeit grundlegend fürs Lernen ist, müssen alle erforderlichen Maßnahmen so früh wie möglich ergriffen werden, damit das Kind sein Potenzial ausschöpfen kann.
Was sind Inzidenz und Prävalenz?
Inzidenz beschreibt neue Hörverlustfälle in einem bestimmten Zeitraum, Prävalenz die Gesamtzahl bestehender Fälle. Laut WHO 2021 leiden weltweit etwa 34 Millionen Kinder an schwerem Hörverlust. Rehabilitations- und Unterstützungsdienste sind essenziell. In den USA hatten 2019 etwa 1,7 von 1.000 Neugeborenen bleibenden Hörverlust. Genetische Ursachen machen etwa 50 % der Fälle aus:
- 15 % syndromisch,
- 35 % nicht-syndromisch.
Maternale Infektionen verursachen rund 40 % der nicht-genetischen Hörverluste (z. B. Zytomegalie, Röteln). Erworbene Infektionen im Kindesalter (impfpräventabel) machen 14 % der Fälle aus, davon 5 % schwer. Geburtskomplikationen (Frühgeburt, Hypoxie, Neugeborenengelbsucht) verantworten 17 %. Ototoxische Medikamente 4 %, Lärmbelastung etwa 12,5 % (ca. 5,2 Mio. Kinder), Mangelernährung und Otitis media tragen ebenfalls bei.
Welche Anzeichen und Indikatoren gibt es?
Bei Säuglingen und Kleinkindern zeigt sich Hörverlust oft durch fehlende Reaktionen auf laute Geräusche, Desinteresse oder mangelnde Schalllokalisation. Verzögerungen in der Lautäußerung und Meilensteingefälle deuten ebenfalls darauf hin. Zu den Symptomen zählen:
- Deutliche Verzögerungen in Sprache und Sprachverständnis
- Stimmstörungen
- Schwierigkeiten, Anweisungen zu verstehen und umzusetzen
- Häufiges Bitten um Wiederholung
- Sehr hohe Lautstärke von Fernseher und anderen Geräten
- Schwierigkeiten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken
Diese Probleme beeinträchtigen soziale und schulische Leistungen und führen zu Ermüdung und Frustration.
Was sind die Ursachen?
Hörverlust bei Kindern kann angeboren oder erworben sein. Pränatale Infektionen oder genetische Veranlagung führen oft zu angeborenem Hörverlust. Geburtskomplikationen wie Anoxie oder Infektionen im Mutterleib erhöhen das Risiko. Strukturelle Anomalien des äußeren oder mittleren Ohrs, Anoxie, Geburtsverletzungen, Rhesus-Inkompatibilität oder hohe Bilirubinwerte zählen dazu. Genetische Hörverluste können autosomal-rezessiv, -dominant, X‑linked oder mitochondrial vererbt werden. Syndromische Ursachen umfassen:
- Alport-Syndrom
- CHARGE-Syndrom
- Crouzon-Syndrom
- Down-Syndrom
- Goldenhar-Syndrom
- Pendred-Syndrom
- Sichelzellenanämie
- Tay-Sachs
- Treacher-Collins-Syndrom
- Usher-Syndrom
- Waardenburg-Syndrom
Erworbener Hörverlust entsteht oft durch Otitis media, Kopftrauma, Lärmbelastung, Cerumen, Fremdkörper, Enzephalitis, Meningitis, ototoxische Medikamente oder virale Infektionen.
Wie erfolgt die Diagnostik und das Screening?
Früherkennung ist entscheidend. Das JCIH-1-3-6-Ziel (2019) empfiehlt:
- Hörscreening vor der Entlassung oder bis zum 1. Lebensmonat.
- Detailuntersuchung bis zum 3. Monat bei nicht bestandener Erstprüfung.
- Frühe Intervention bis zum 6. Monat bei bestätigtem Hörverlust.
Für Frühgeborene und NICU-Babys gelten erweiterte Protokolle. In der Türkei führt das Gesundheitsministerium das Screening vor der Krankenhausentlassung durch. Wiederholte Tests und weiterführende Diagnostik sind Teil des Protokolls.
Wie wird die Hörbewertung durchgeführt?
Eine umfassende audiologische Testbatterie untersucht beide Ohren und ermittelt Art und Grad des Hörverlusts. Der Ablauf:
- Anamnese
- medizinische Überweisung
- Entwicklungsscreening
- Otoskopische Untersuchung
- Audiologische Testbatterie:
- Akustische Immitanzmessungen (Weitband- und Standard-Tympanometrie, akustische Reflextests)
- Auditorisch evozierte Potenziale (ABR, ASSR, OAE)
- Verhaltensbasierte Tests (BOA, Konditionierungs-Audiometrie, kindgerechte Reinton- und Sprachaudiometrie)
- Selbst- und Familienbefragungen (Kommunikationsinventare)
Die Ergebnisse ergeben ein vollständiges Profil der auditiven Gesundheit.
Welche Anamnese und Untersuchungen sind nötig?
Eine sorgfältige Anamnese und Untersuchung durch Audiologen ist essenziell. Wichtige Informationen:
- Alter und Beginn des Hörverlusts
- Pränatale und perinatale Risikofaktoren
- Medikamentenanamnese
- Entwicklung
- Familiäre Hörverlust-Vorgeschichte
- Genetische Testergebnisse
- Entwicklungsstörungen
- Kommunikationsbedürfnisse
- Schulsituation und Förderbedarf
- Ziele von Kind und Familie
- Unterstützungssysteme
Wie werden Entwicklung und Kommunikation überwacht?
Die Überwachung umfasst:
- Meilensteine der Entwicklung
- präverbale Kommunikation
- rezeptive und expressive Sprache
- Sprachentwicklung
- auditive Fertigkeiten
- funktionale Hörleistung
- soziale und emotionale Entwicklung
Welche familienzentrierten Ansätze gibt es?
Aktive Beteiligung von Kind und Familie ist essenziell. Behandlungspläne berücksichtigen kulturelle und sprachliche Präferenzen und enthalten:
Bildung und Beratung: Gesundheitskompetente Aufklärung für Familie und Kind.
Amplifikation: Auswahl und Anpassung von Hörgeräten und Implantaten sowie Schulung in Nutzung und Pflege.
Hilfs‑Hörsysteme:
- FM/DM-Systeme zur direkten Übertragung an Hörgeräte
- Klassenzimmer-Audiosysteme für gleichmäßige Beschallung
- Induktionsschleifen für Cochlea-Implantate und T-Spulen-Hörgeräte
Frühintervention und Bildungsdienste: Individualisierte Bildungs- und Familienpläne.
Direkte Intervention: Audiologen, Sonderpädagogen und Sprachtherapeuten erstellen Pläne für auditiv-oral orientierte Förderung mit kontinuierlicher Familienbeteiligung.
Häufig gestellte Fragen
Heilt Hörverlust bei Kindern?
Die Heilungschancen hängen vom Typ ab. Leitungsverluste sind meist medikamentös oder chirurgisch heilbar. Sensorineurale Verluste können durch frühzeitige Diagnose, Hörgeräte/Implantate und gezielte Förderung die negativen Auswirkungen minimieren. Frühe Intervention unterstützt Sprachentwicklung und ermöglicht altersgerechte Entwicklung.
Was verursacht plötzlichen Hörverlust bei Kindern?
Hierbei handelt es sich um sensorineurale Verluste, die immer einer sofortigen Abklärung bedürfen. Häufige Auslöser: Kopftrauma, Fieberkrämpfe, Meningitis, Mumps und Otitis media. Letztere führt zu Flüssigkeitsansammlung hinter dem Trommelfell und erfordert oft medizinische oder chirurgische Behandlung. Bei wiederkehrenden Infektionen ist engmaschige audiologische Überwachung nötig.
Wie erkennen wir, ob ein Baby hört?
Innerhalb der ersten 72 Stunden nach der Geburt wird in der Türkei ein automatisiertes ABR-Screening durchgeführt. Dieses schnelle, sensitivie Verfahren zeigt “Pass” oder “Fail” an. Ein “Pass” schließt jedoch leichte bis mittlere Hörverluste nicht aus. Bei Risikofaktoren oder “Fail” sind diagnostische audiologische Tests erforderlich, um Hörverlust auszuschließen oder zu bestätigen.
In welcher Abteilung findet der Hörtest statt?
Die Audiologie-Labore sind meist in der Nähe der HNO-Ambulanzen angesiedelt. Nach der HNO-Untersuchung erfolgen die Tests im Audiologie-Labor. HNO-Ärzte stellen Überweisungen, und Audiologen führen die altersgerechten Tests durch, um Grad und Ursache des Hörverlusts zu bestimmen.
Wie lange dauert der Hörtest bei Kindern?
Die Dauer variiert: Neugeborenen-Screening dauert 2–10 Minuten im Schlaf. Für ältere Kinder hängt die Zeit von Alter, Testmethode, Kooperation und Hörverlust ab. Umfangreiche diagnostische Tests (z. B. ABR/BERA) können 1–2 Stunden oder länger dauern.